Bibeltext: Mt,28,8-15
Maria aus Magdala und die andere Maria verließen das Grab und eilten voll Furcht und großer Freude zu seinen Jüngern, um ihnen die Botschaft zu verkünden.
Plötzlich kam ihnen Jesus entgegen und sagte: Seid gegrüßt! Sie gingen auf ihn zu, warfen sich vor ihm nieder und umfassten seine Füße. Da sagte Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen und dort werden sie mich sehen.
Noch während die Frauen unterwegs waren, kamen einige von den Wächtern in die Stadt und berichteten den Hohenpriestern alles, was geschehen war. Diese fassten gemeinsam mit den Ältesten den Beschluss, die Soldaten zu bestechen. Sie gaben ihnen viel Geld und sagten: Erzählt den Leuten: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. Falls der Statthalter davon hört, werden wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu befürchten habt. Die Soldaten nahmen das Geld und machten alles so, wie man es ihnen gesagt hatte. So kommt es, dass dieses Gerücht bei den Juden bis heute verbreitet ist.
Hinweis: Den folgenden Text möchte ich nur ungern als Predigt bezeichnen. Es ist sozusagen ein persönliches Glaubenszeugnis. Er stammt aus einer Zeit des persönlichen Auf- und Umbruchs und ist so ein Zeugnis eines Lebens auf dem Weg.
Inzwischen sind einige Jahre ins Land gegangen. Vieles würde ich heute nicht mehr so sagen – trotzdem habe ich den Text so belassen, wie ich ihn damals vorgetragen habe. Der geneigte Leser/die geneigte Leserin wird sich seine/ihre eigenen Gedanken machen.
Liebe Schwestern und Brüder,
haben Sie heute Zeitung gelesen? Oder Radio gehört? Täglich werden wir geradezu überschwemmt mit Informationen und Nachrichten. Manchmal ist es schwer, den Überblick zu behalten. Was ist wirklich wichtig? Manche Nachrichten berühren uns, andere lassen wir an uns vorbeirauschen. Ein geflügeltes Wort spricht vom Sack Reis, der in China umfällt. Was geht mich das an?
Die Auswahl der Nachrichten ist zu einer modernen Kulturtechnik geworden. In der Informationsgesellschaft gehört es zu den grundlegenden Fähigkeiten, wichtige Nachrichten von unwichtigen Nachrichten zu unterscheiden – sonst ertrinken wir in der Informationsflut.
Doch Hand aufs Herz: Nehmen wir wirklich alle Nachrichten unvoreingenommen zur Kenntnis? Oder gibt es nicht auch solche, die man lieber ausblendet? Wie ernst nehmen wir z. B. die Untersuchungen über Rohstoffvorkommen, insbesondere von Erdöl und Uran? Gibt es vielleicht auch Nachrichten, die einem gerade recht kommen? Die Nachricht vom Betrüger, der Fleisch aus konventioneller Tierhaltung als Fleisch aus artgerechter Tierhaltung verkauft kann ganz praktisch sein: sie beruhigt das Gewissen.
Vielleicht geht es Ihnen manchmal wie mir. Ich ertappe mich dabei, wie ich mir die Nachrichten zurechtlege. Nicht immer, aber viel zu oft.
Vielleicht helfen uns diese Überlegungen, mit den Hohenpriester aus dem heutigen Evangelium weniger hart ins Gericht zu gehen. Sie wollten auf Nummer sicher gehen und hatten das Grab dieses Jesus von Nazareth bewachen lassen. Damit dummen Gerüchten von vornherein das Wasser abgegraben wird. Nun kommen die Wachen und berichten von dem leeren Grab, von den Frauen und von dem Engel. Was nun? Diese absonderliche und abstruse Geschichte darf auf keinen Fall an die Öffentlichkeit. Jedenfalls nicht so. Sondern nur so, wie sie tatsächlich gewesen sein muss: Die Anhänger Jesu sind bei Nacht gekommen und haben den Leichnam gestohlen. Für den, der es besser weiß eine Lüge, für jeden anderen die einzig sinnvolle Erklärung.Die Frauen sind dagegen eine Art Kontrastprogramm. Statt auf den Leichnam Jesu treffen sie auf einen Engel, der ihnen eröffnet: Jesus ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Der Engel fordert sie auf, schnell zu seinen Jüngern zu gehen und sie zu informieren. Und die Frauen eilten voll Furcht und großer Freude zu seinen Jüngern.
Auf dem Rückweg begegnen sie Jesus. Matthäus macht noch einmal deutlich: Nicht das leere Grab, sondern die Begegnung mit Jesus ist der Grund für den Glauben an die Auferstehung Jesu. Nicht indirekte Hinweise sondern konkrete Erfahrungen sind der Grund für den Osterglauben.Die Nachricht vom leeren Grab und von der Begegnung mit dem auferstandenen Jesus von Nazareth ist eine herausfordernde Nachricht. Wenn sie stimmt, dann revolutioniert sie die Weltsicht. Jesus hat ja nicht einfach behauptet, dass ein Gott sei. Das wäre eine Nachricht von der Qualität des Reissackes in China. Nein – er hat gesagt, dass wir diesen Gott als Vater anreden dürfen und dass dieser Gott die Menschen liebt. Gott will, dass die Menschen gerettet werden und ist deshalb selbst Mensch geworden. Das hat schon eine ganz andere Qualität.Diese Information, Nachricht oder ganz altmodisch Botschaft verkündet die Kirche seit nun fast zweitausend Jahren. Einigen geht es dabei vielleicht wie den Hohenpriestern: Das darf doch nicht wahr sein! Das kann doch gar nicht sein! Und dann legen sie sich die Dinge zurecht, wie sie in ihr Weltbild passen. Gut meinende Theologen verwandeln die Auferstehung Jesu dann zu einer symbolischen Rede, die man übersetzen könnte: Die Sache Jesu geht weiter!
Paulus dagegen formuliert unmissverständlich: Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos. Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. Die Worte von Paulus sind keine Argumente für die Auferstehung aber sie machen deutlich, was auf dem Spiel steht. Die Brisanz der Nachricht wird klar.
Mit der Auferstehung Jesu Christi steht und fällt alles. Ohne sie ist alles, was wir hier tun, ein leerer Zirkus. Eine Aufführung ohne Wert. Doch wenn das stimmt, dann erscheint mein Leben, ja die ganze Welt in einem anderen Licht.
Die Frauen im Evangelium eilten voll Furcht und großer Freude zu den Jüngern Jesu. Bis heute gibt es viele Menschen, für die die Botschaft von der Auferstehung ein Grund zur Freude ist. Diese Menschen haben mich nachdenklich gemacht. Was hat sie bewegt oder bewegt sie noch immer? Und ich habe gelernt, dass sich die Wahrheit der wirklich wichtigen Dinge nicht andemonstrieren lässt: wer einen schlüssigen Beweis für die Vertrauenswürdigkeit der Partnerin oder des Freundes sucht, wird immer allein bleiben. Im Gegenteil: wer Beweise für dieses Vertrauen sucht, verliert was zu finden hofft. Wir können ohne ständige Vertrauensvorschüsse nicht leben: Das Ideal der sicheren Erkenntnis ist ein Trugschluss.
Der französische Schriftsteller François Mauriac (1885 – 1970), ein überzeugter Katholik, Nobelpreisträger, wurde gefragt, wie er denn an so etwas Absurdes wie die Auferstehung der Toten glauben könne, wie er sich das denn vorstelle. Mauriac antwortete: „Ich stelle es mir überhaupt nicht vor, ich überlasse es Gott, wie er die Seinen überraschen wird. Vielleicht kann ein Blick auf die Zeugen, vor allem auf die Märtyrer, überzeugen. Die Botschaft von der Auferstehung ist von jeher an Zeugen gebunden. Und an die ersten Zeugen schließt sich eine Kette bis in unsere Tage. Alfred Delp, im Jahre 1945 hingerichtet, konnte auch als Verurteilter schreiben: „Gott geht unsere Wege mit.“ Der Theologe Kardinal Volk sagte: „Es gibt eine Argumentationslücke des Glaubens, die nur der Zeuge schließen kann.“
Und noch eine letzter Gedanke: Ostern führt nicht hinaus, sondern zu den Menschen hin. Wo der Glaube an die Auferstehung lebendig ist, da wird er in der Welt immer wieder Zeichen setzen, die den Menschen aufrichten. „Wahrer Auferstehungsglaube zeigt sich da, wo der Christ sich in vollem Einsatz dieser Welt zuwendet, um sie zu Gottes und des Menschen Welt zu machen. Sie behält auch dann noch den langen Atem des Duchhaltens und der Hoffnung, wo menschliches Bemühen in Enttäuschung auf der Strecke bleibt.“ (Jürgen Werbick, Theologe in Münster.)
Am 18. April 2006 im Rahmen des Abendgebetes der Gemeinschaft von Sant’Egidio in der Pfarrkirche St. Barbara, Osnabrück.