Am 18.12.2023 war ich überrascht. Die Nachrichtenseiten meldeten: Vatikan erlaubt die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Das wäre eine Revolution. Deutsche Bischöfe bekommen die intellektuelle Glanzleistung fertig, gleichgeschlechtliche Beziehungen als Sünde zu bezeichnen und gleichzeitig für sie um den Segen Gottes zu bitten. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich halte die Sexualmoral der katholischen Kirche für falsch. Sie muss geändert werden. In meiner Glaubenswelt entspricht jede echte Liebesbeziehung dem Liebesgebot des Neuen Testamentes und deshalb kann ich für sie auch um den Segen Gottes bitten. Sollte der Papst ein Einsehen haben?
Also habe ich das für vatikanische Verhältnisse kurze Dokument gelesen und war überrascht. Wortreich wird darin erklärt, was Stand der Dinge ist hinsichtlich der Lehre. Nichts neues also. Was da zu Segenshandlungen ausgeführt wird, ist mir jedenfalls ebenfalls nicht neu. Wenn ein Mensch mich um einen Segen bittet, dann mache ich das. Ich bitte Gott um seinen Segen für diesen Menschen. Ohne Selbstauskunft über Sexualpraktiken und ohne polizeiliches Führungszeugnis. Das kommt immer wieder vor. Bei Hausbesuchen, bei kirchlichen Veranstaltungen und auch schon mal im Supermarkt. Dabei habe ich mich immer im Einklang mit der kirchlichen Lehre gesehen. Als Priester kann ich für jeden Menschen im Namen der Kirche um den Segen Gottes bitten.
Deshalb konnte und kann ich die Euphorie nicht teilen, die zum Teil aus kirchlichem Mund zu lesen und zu hören war. Sollte das PISA-Ergebnis inzwischen auch bei Bischöfen angekommen sein, so dass sie einen vergleichsweise einfachen Text nicht mehr erfassen können? War vielleicht einfach der Wunsch der Vater oder die Mutter oder was auch immer des Gedankens? Gadamer hätte seine Freude an solchen Überlegungen.
Auch die zum Teil harsche Reaktion aus anderen Teilen der Welt hat mich verwundert. Wird denn ein Priester im Kongo bei einem Segenswunsch anders reagieren und den Segenswunsch ablehnen? Lieben dürfen sich Männer ja und sie dürfen auch intimste Gemeinschaft haben. Nur eben keinen Sex. Ehe als Lizenz zum Geschlechtsverkehr. Morgen heiratet ein Paar und ich darf assistieren. Vielleicht sollte ich den Aspekt in der Predigt gebührend bedenken: Ab heute dürft ich auch mit kirchlichem Segen…
Offensichtlich reichen schon einfache Begriffe aus, um entweder einen Sturm der Entrüstung auszulösen oder eben euphorische Begeisterung. Der Zusammenhang im Text ist Nebensache. PISA lässt grüßen.