Die Einladung Gottes zur Begegnung mit ihm

Predigt in der Heiligen Messe zum 28. Sonntag im Jahreskreis

Lesejahr A: Mt. 22,1-14

Liebe Schwestern und Brüder,

vielleicht kennen Sie das auch: Ein Fest steht an, ein Geburtstag oder ein Jubiläum. Es soll eine Party geben oder ein Mittagessen oder ein schönes Abendessen. Dann ist die erste und für manche auch schwierigste Aufgabe die, einen Termin zu finden. Mein Eindruck ist mitunter, dass heute kaum eine Aufgabe schwerer zu lösen ist, als einen Termin zu finden. Natürlich: Die Arbeit ist fordernder geworden. Viele arbeiten in Wechselschicht oder sie müssen sich für bestimmte Projekte viel Zeit frei halten. Viele Menschen sind vielfältig engagiert. In der Kirche, im Sportverein, in der Politik. Die Nachbarschaft und die immer größer werdenden Familien- und Freundeskreise haben auch ihre Ansprüche: Geburtstage, Hochzeiten, Jubiläen. Veranstaltungen über Veranstaltungen. Alle haben so viel zu tun, alle haben so viele Aufgaben und Verabredungen.

Es gibt natürlich auch Feste, da steht der Termin fest. Sylvester ist immer am 31.12. Da braucht man keinen Termin zu suchen. Doch dann taucht ein ganz neues Problem auf. Ich nenne das das „Vielleicht-Problem“. „Ja, vielleicht. Wenn ich Zeit habe, dann komme ich.“ Wer mag sich schon festlegen? Es ist gar nicht so ungewöhnlich, auch zwei Wochen vor der Feier von der Hälfte der geladenen Gäste nicht zu wissen, ob sie denn kommen werden.

Vielleicht übertreibe ich ein wenig. Vielleicht ist das auch eine Frage des Alters und eine Frage, was man gelernt hat. Doch ich denke, so ganz weltfremd sind diese Erfahrungen wohl nicht.

Eine ähnliche Erfahrung macht der König im heutigen Evangelium. Die geladenen Gäste haben alle etwas besseres zu tun. Der eine muss noch seinen Acker bestellen und der andere muss noch in sein Geschäft. Am Ende fallen die Eingeladenen noch über die Diener her, misshandeln sie und töten sie sogar.

Für unsere Ohren klingt das alles etwas übertrieben. Schauen wir auf die Situation, in der Jesus das Gleichnis erzählt. Er ist in Jerusalem angekommen und geht natürlich regelmäßig in den Tempel. Dort kommt es zu Streitgesprächen mit den Juden, mit Pharisäern, Sadduzäern und Schriftgelehrten. In einem solchen Streitgespräch erzählt Jesus das Gleichnis. Die Angesprochenen verstehen es dann auch sehr genau. Die eingeladenen Gäste – das sind sie, die Juden. Die Diener – das sind die Propheten, das ist am Ende auch Jesus. Sie, die eingeladenen Gäste, sie habenetwas besseres zu tun, als der Einladung zu folgen. Am Ende töten sie die Propheten sogar.

Als Reaktion auf die Missachtung seiner Einladung lässt der König im Gleichnis die Mörder töten und die Stadt in Schutt und Asche legen. Auch das klingt für unsere Ohren fremd. Wie passt das zum liebenden Gott, den Jesus verkündet? Wird Gott aus Strafe töten? Die Zuhörer zur Zeit des Matthäus haben das jedoch verstanden. Kurz zuvor hatten die Römer Jerusalem und den Tempel bis auf die Grundmauern zerstört. Viele Juden zur Zeit des Matthäus haben diese Zerstörung als Strafe dafür verstanden, dass sie der Einladung Gottes nicht gefolgt sind.

Im Gleichnis reagiert der König fast schon trotzig. Er lädt dann andere Menschen ein. Böse und Gute versammeln sich zum Festmahl. Es ist offenkundig: Gott ruf, wen er will. Geschlecht, Einkommen, Nationalität – das alles spielt keine Rolle.

Schließlich der verstörende Abschluss. Einer der Gäste hat kein Hochzeitsgewand an und wird zur STrafe in die äußerste Finsternis geworfen. Schon wieder Horror und Schrecken in diesem Gleichnis. Weil jemand kein passendes Gewand an hat! Natürlich geht es Jesus nicht um die Kleiderordnung. Das Hochzeitsgewand steht dafür, dass sich jemand vorbereitet hat. Dass er nicht einfach achtlos losgeht. Wer sich ein Hochzeitsgewand angezogen hat, der hat sich vorbereitet auf die Begegnung mit Gott. So schreibt Paulus im Brief an die Kolosser: „Bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld.“ An unserem Verhalten gegenüber anderen Menschen soll man erkennen können, dass wir anders „bekleidet“ sind.

Die Einladung des Königs gilt auch uns. Wir sind Geladene zum Hochzeitsmahl des Königs. Es ist sogar ein zweifaches Mahl. Wir sind zum himmlischen Hochzeitsmahl eingeladen. Wirsind aber auch zum Festmahl der Eucharistie eingeladen. Wir sind eingeladen, Jesus und damit Gott im Zeichen von Brot und Wein zu begegnen. So feiern wir gleich ein großes Geheimnis, lateinisch ein „Sakrament“, auf griechisch ein „Mysterium“. Jesus will uns im Brot begegnen, er will uns als Gott ganz nahe kommen.

Die Zahl der Menschen, die diese Einladung annehmen, geht zurück. Hier in Wesuwe sankt die Zahl der Gottesdienstbesucher am Wochenende von 397 in 2013 auf 362 in 2016. Im ganzen Bistum ist der Rückgang jedoch sehr deutlich. Kamen 1990 noch etwa 188.000 Menschen am Wochenende in die Heilige Messe, waren es 2016 nur noch 62.000. Mehr als zwei Drittel weniger.

Was sind die Gründe? Es gibt sicher ein sehr grundlegendes Problem. Der emeritierte Papst Benedikt hat kürzlich in einem Vorwort geschrieben: „Im Bewusst sein der Menschen von heute erscheinen die Dinge Gottes und damit der Liturgie keineswegs dringlich. Eile gibt es für alles Mögliche. Die Sache Gottes scheint nie eilbedürftig.“

Ein Grund dafür ist sicherleich, dass sich das Verständnis des Sonntags gewandelt hat. Der christliche Sonntag unterscheidet sich vom jüdischen Sabbat. Nach unserer Vorstellung erfüllt der Sonntag den geistlichen Sinn des jüdischen Sabbat. So ist der Sonntag der erste Tag der Woche, der Tag nach dem Sabbat. Das leere Grab wurde am ersten Tag der Woche gefunden und so wurde der erste Tag der Woche zum Tag des Herrn. An diesem Tag versammeln sich die Christen, um die Auferstehung Jesu Christi zu feiern.

Jeder Sonntag ist deshalb ein Osterfest. Er ist arbeitsfrei für die Gottesverehrung, für die Freude am Tag des Herrn. Er ist arbeitsfrei für Werke der Barmherzigkeit, für den Dienst an den Alten, Kranken und Behinderten. Er ist arbeitsfrei zur Erholung von Geist und Körper.

Von diesen Vorstellungen ist nicht mehr viel übrig geblieben. In den Kalendern ist der Sonntag zumeist der letzte Tag der Woche und er ist arbeitsfrei zur Erholung von Geist und Körper, arbeitsfrei zur Freizeitgestaltung.

Es gibt aber vielleicht noch eine zweite Ursache. Der emeritierte Papst Benedikt schreibt in dem schon erwähnten Vorwort weiter: „Das Missverständnis der Liturgiereform […] führte dazu, dass in der Liturgie immer mehr der Aspekt der Belehrung und der eigenen Aktivität und Kreativität in den Vordergrund trat. Das Tun der Menschen ließ die Gegenwart Gottes fast vergessen.“

Der Gedanke hat mich nachdenklich gemacht. Ich muss mich als Priester fragen, wen oder was ich in der Messe in den Mittelpunktstelle. Doch auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass wir allein dadurch, dass wir die Messe „strenger“ und „förmlicher“ feiern, diese zweite Ursache lösen können. Mundkommunion und lateinische Gesänge, so sehr sie auch einzelne Menschen ansprechen, lösen das Problem nicht.

Vielleicht liegt ein Grund darin, dass die Menschen heute unterschiedlicher sind als früher. Die meisten Menschen in einem Dorf tickten früher sehr ähnlich. Sie hörten die gleiche Musik, sie aßen und tranken das Gleiche, sie feierten die Feste sehr ähnlich. Das hat sich geändert. Die Menschen sind heute unterschiedlicher. Heute kann ein gemeinsames Abendessen kompliziert werden. Der eine ist Vegetarier, der andere Veganer und ein dritter macht eine Paläo-Diät: er ist nur Dinge, die die Menschen in der Steinzeit so auch gegessen haben.

Weil die Menschen unterschiedlich sind, müssen wir die Vielfalt und die Breite der liturgischen Formen stärken. Wir können nicht nur Messe. Es gibt Wort-Gottes-Feiern, Andachten, Taizé-Gebete, Frühschichten, Anbetungen, Morgen- und Abendgebete. Jede liturgische Form hat ihren Wert. Auch Messe können wir unterschiedlich: Wir feiern Familien-Messen, wir werden wieder Jugend-Messen feiern und wir werden in drei Wochen eine feierliche Messe in lateinischer Sprache feiern. Wir müssen mehr ausprobieren und experimentieren. Wir dürfen auch keine Angst davor haben, dass ein liturgisches Experiment mal nicht klappt.

Und wir müssen mehr miteinander über die Messe reden. Dabei geht es nicht kleinkariert darum, die Fehler zu suchen. Es geht um ganz praktische Dinge: Konnte man die vorgetragenen Texte verstehen? Waren sie zu laut oder zu leise? Konnte man der Predigt folgen? War sie zu lang oder zu kurz? War die Musik schön? Konnte man mitsingen?

Die Vielfalt der liturgischen Formen ausprobieren und miteinander über die Heilige Messe sprechen. Dafür müssen wir nicht auf Rom oder Osnabrück warten. Was hindert uns?

 

[Die Predigt habe ich am 15.10.2017 im Rahmen einer Heiligen Messe in der Pfarrkirche St. Clemens in Haren-Wesuwe gehalten. Für die Predigt hatte ich mir Stichworte notiert. Die hier nachträglich geschriebene Lesefassung der Predigt kann daher vom gesprochenen Wort der Predigt abweichen.]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.