Ein Fall von Liebe

Gestern hat die Glaubenskongregation im Vatikan ein Schreiben veröffentlich, in dem die Frage beantwortet wird, ob die Kirche die Vollmacht hat, homosexuelle Paare zu segnen. Die Antwort lautet wenig überraschend: Nein. Dieses Schreiben hat ein breites Echo gefunden – in den sozialen Netzwerken solidarisieren sich viele Menschen mit homosexuellen Paaren, für die dieses Schreiben eine weitere Herabsetzung ihrer Personen bedeuteten muss.

Die Glaubenskongregation kann nicht anders handeln, als sie getan hat. Das Format Responsum ad dubium ist nicht dazu geeignet, die Glaubenslehre zu verändern. Die Glaubenskongregation legt die Glaubenslehre aus, sie schafft aber keine neue Glaubenslehre. Man kann ihr bestenfalls zurufen: o si tacuisses, theologus mansisses.

Die Wurzel allen Übels ist die katholische Sexualethik. Danach sind sexuelle Handlungen nur zwischen Mann und Frau innerhalb der Ehe gut, wenn diese Handlungen gleichzeitig offen sind für die Kinder, die dabei entstehen können. Danach verstoßen sexuelle Handlungen zwischen Menschen des gleichen Geschlechts ebenso gegen das göttliche Gebot wie sexuelle Handlungen vor der Ehe oder außerhalb der Ehe und natürlich künstliche Empfängnisverhütung. Natürlich können zwei Männer sich lieben. Doch sobald Sex dazu kommt, ist das Sünde.

Diese Sexualethik verkennt völlig das Wesen und die Funktion von Sexualität für das Leben eines Menschen, für die Gestaltung intimer Beziehungen und für ein gedeihliches Zusammenleben als Gesellschaft. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, dass seine persönlichen Bedürfnisse berücksichtigt werden, solange sie niemandem schaden. Jeder Mensch hat ein Recht (nicht die Pflicht!) auf intime Beziehungen. Wir als Gesellschaft sollten ein Interesse an einem gedeihlichen Zusammenleben haben. Die traditionelle katholische Sexualethik ist liebes- und lebensfeindlich und kann mit dem Willen Gottes, wie ihn Jesus geoffenbart hat, nicht verbunden werden. Auch wenn in manchen Bereichen der traditionellen Sexualethik tiefe Wahrheiten enthalten sind. Leider können wir die derzeit gar nicht mehr ansprechen. Die Menschen lachen uns im besten Fall einfach aus.

Die katholische Sexualethik können am Ende nur die Bischöfe zusammen mit dem Papst ändern. Dabei haben die Bischöfe auf den Glaubenssinn ihrer Gläubigen zu hören. Erste vorsichtige Versuche dazu gibt es ja. Die Schweige-Spirale wird mehr und mehr gebrochen. Wer als katholischer Theologe sich zu dem Thema äußern wollte, riskierte bisher entweder das Gelächter der Fachleute oder ein Verfahren wegen offensichtlicher Häresie. Das ändert sich gerade.

In den Beiträgen in den sozialen Netzwerken geht aber trotzdem einiges Durcheinander. Dabei geht es um Liebe und Segen. Natürlich liebt Gott alle Menschen. Ganz gleich ob Mann oder Frau, ob Christ oder Moslem, ob arm oder reich, ob jung oder alt und ganz gleich welche Nationalität oder Ethnie. Deshalb kann ich Gott um seinen Segen für jeden Menschen bitten. Das stellt auch niemand in Frage. Auch nicht die Glaubenskongregation.

Doch nicht alles, was Menschen tun, ist gut. Deshalb kann ich Gott auch nicht um seinen Segen für jedes Tun von Menschen bitten. Für offensichtlich sündhaftes Verhalten kann ich nicht um den Segen Gottes bitten. Manchmal gibt es Graubereiche. Nehmen wir Waffen. Was ist mit den Waffen von Polizisten? Was ist mit den Waffen für Blauhelm-Einsätze?

Kann Gott alles? Das ist die Fragestellung des traditionellen Theodizee-Problems: (1) Gott ist allmächtig. (2) Gott ist die Liebe. (3) Es gibt Leid. Wenn es Leid gibt, dann ist Gott entweder nicht allmächtig oder ist nicht die Liebe. Wenn ich der Überzeugung bin, dass Gott ein bestimmtes Verhalten nicht gut findet, dann kann ich doch unmöglich gleichzeitig annehmen, dass er dieses Verhalten segnen wird. Wenn ich davon ausgehe, dass für Gott gleichgeschlechtliche Liebe eine Sünde ist, dann kann ich doch davon ausgehen, dass er diese Liebe nicht segnen wird. Finde den Fehler.

Schließlich wird sehr pauschal von Liebe geredet bzw. geschrieben. Wann ist Liebe tatsächlich Liebe? Reicht es aus, wenn ich selbst mein Verhalten als Liebe bezeichne? Welches Verhalten eines anderen Menschen nenne ich Liebe? Kaum ein anderes Wort wird so häufig missbraucht und häufig genug steckt hinter der Fassade von Liebe die pure Selbstsucht. Natürlich kann jeder für sich definieren, was er will. Worte sind Schall und Rauch. Doch wenn wir uns über etwas auseinander setzen wollen, wenn wir Konsequenzen für unser Handeln als einzelne oder als Gruppe ableiten wollen, dann müssen wir darüber reden, was Liebe für uns ist. Wenn ein pädophiler Mann seine sexuellen Handlungen an einem Kind mit seiner Liebe zu diesem Kind begründet, dann wage ich nicht, sein Tun als Liebe zu bezeichnen. Kann denn Liebe Sünde sein? Ja, sie kann.

Print Friendly, PDF & Email

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.