Corona, eine vorläufige Bilanz

Und ewig grüßt das Murmeltier. Seit Monaten Corona, seit Monaten dieselben Themen. Seit November befindet sich Deutschland im Lockdown. Erst ein „Lockdown-light“, dann strengere Maßnahmen. Die große Welle nach Weihnachten und Sylvester ist ausgeblieben, die Zahl der Neuinfektionen ist gesunken. Doch seit gut zwei Wochen sinkt sie nicht mehr.

Der Rückgang der Zahl der Neuinfizierten seit Anfang 2021 macht sich natürlich auch bei der Zahl der Todesfälle bemerkbar:

Schließlich sinkt die Zahl der belegten Intensivbetten:

Während bundesweit die 7-Tage-Inzidenz im Februar wieder gestiegen ist, sinkt sie in den Landkreisen Diepholz und Nienburg:

Dabei muss man beachten, dass vor allem im Landkreis Diepholz die Werte durch Nachtragungen noch deutlich verändert werden können.

Diese Daten werden uns nun seit Monaten täglich präsentiert. Der Lockdown wirkt. Jedenfalls ist die Zahl der Neuinfektionen deutlich gesunken. Warum sie nun nicht weiter sinken, bleibt unklar. Liegt es an den Virus-Mutationen, die leichter übertragbar sind? Sind die Menschen Lockdown-müde und beachten die Regeln nicht mehr? Jedenfalls bleibt das Ziel, eine Inzidenz von weniger als 35 zu erreichen, in weiter Ferne. Selbst eine Inzidenz von 50 ist noch weit entfernt.

Die Strategie lautete ja: Die Zahl der Neuinfektionen durch geeignete Hygiene-Maßnahmen auf ein Maß begrenzen, das durch die Gesundheitsämter beherrscht werden kann. Beherrschen heißt: Es kommt immer wieder zu Infektionen, es kann auch zu lokalen Hot-Spots kommen. Doch insgesamt wird die Zahl der Neuinfektionen auf einem Wert von weniger als 50 pro hunderttausend Einwohner innerhalb von sieben Tagen begrenzt.

Die Strategie schien im Sommer aufzugehen. Die Zahl der Neuinfektionen blieb niedrig. Schon damals warnten die Fachleute, dass im Herbst eine zweite Welle bevorstehe. Doch das einzige Gegenmittel blieb der Lockdown. Weitere Instrumente wurden nicht angefasst. Vor allem wurde nicht untersucht, wo sich die Menschen denn genau infizieren. Infizieren sie sich trotz Hygiene-Maßnahmen oder infizieren sie sich, weil sie die Hygiene-Maßnahmen nicht beachten? Gibt es bestimmte Bereiche, in denen die Hygiene-Maßnahmen offensichtlich nicht ausreichen? Von mehr als 75 % der Neuinfektionen ist nicht bekannt, wo sich die Menschen infiziert haben.

Im Herbst stieg dann die Zahl der Neuinfektionen und danach mit Verzögerung die Auslastung der Intensivbetten und die Zahl der Toten. Einziges Instrument war der Lockdown. Doch weil der nicht gerade beliebt war, gab es einen Lockdown-light für den November. Wie erwartet brachte er nicht die gewünschten Ergebnisse und deshalb wurde im Dezember nachgeschärft. Trotzdem ist der Lockdown in Deutschland im Vergleich zu den Nachbarländern wie Belgien, Frankreich oder Österreich begrenzt. Dort gelten sehr viel strengere Bestimmungen.

Tatsächlich sanken die Zahlen im Januar deutlich. Der Lockdown wirkte. Doch seit Februar stagnieren die Zahlen auf einem hohen Niveau, die 50er Inzidenz steigt leicht. Ratlosigkeit macht sich breit. Die Menschen sind Lockdown-müde, es zeichnen sich schwere Verwerfungen im Breich Wirtschaft und Kultur ab. Jetzt hat man erste Lockerungen versprochen und verordnet. Doch eine echte Strategie ist noch nicht erkennbar.

Die Impfungen sind angelaufen, sie bleiben aber deutlich hinter den Erwartungen zurück. Stritt man sich im Januar noch darüber, dass Hersteller nicht die versprochenen Mengen liefern können, so zeigt sich nun, dass selbst die gelieferten Mengen nicht verimpft werden können. Millionen Impfdosen lagern ein. Außerdem zeigt sich am Beispiel des Impfstoffes von Astra-Zeneca, dass die Kommunikation der Komplexität der Sachverhalte nicht gerecht wird. Medien stürzen sich auf Schlagzeilen, statt die Sachverhalte zu berichten. Die Folge ist totale Verunsicherung in der Bevölkerung.

Seit Herbst 2020 gibt es Schnelltests und Selbsttests. Nun will man eine Test-Strategie entwerfen und hat eine Task-Force eingesetzt. Immerhin gibt es Zusagen: Ab heute hat jeder Bundesbürger Anspruch auf einen kostenlosen Schnelltest pro Woche. Doch wie das ganze laufen soll – das weiß noch niemand. Selbsttests sind inzwischen zugelassen – sie werden aber derzeit nur in homöopatischen Dosen über Discounter verkauft. Der Bestand von ALDI war am Samstag kurz nach Ladenöffnung ausverkauft. Dafür gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen von Bund und Ländern.

Bis heute ist völlig unklar, wo die Menschen sich anstecken. Alle Betreiber von Einrichtungen oder Geschäften betonen: Bei uns nicht! Wir sind sicher! Doch irgendwo müssen die Menschen sich ja anstecken. Die Frage ist für uns als Kirche elementar: Wirken die Hygiene-Maßnahmen, die wir für Gottesdienste vornehmen, auch bei den mutierten Varianten des Virus? Immer wieder gibt es Gerüchte, dass selbst kürzeste ungeschützte Begegnungen mit Infizierten ausreichen, sich selbst zu infizieren. Ist das so? Welche Folgen hat das für unsere Gottesdienste?

Offensichtlich kommt unsere Exekutive mit dieser Aufgabe nicht zurecht. Zuständig sind die Bundesländer. Ihre Aufgabe ist es, eine Stratgie zur Bekämpfung der Pandemie zu entwickeln und umzusetzen. Das gilt für jeden einzelnen Länderchef. Die Bundeskanzlerin und der Bundesgesundheitsminister sind für bestimmte Rahmen-Bedingungen verantwortlich und sie geben Geld. Beide haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Zusammenarbeit der Ministerpräsident*innen zu moderieren und zu koordinieren. Deshalb können sie sich auch nicht einfach aus der Verantwortung stehlen. Doch es zeigt sich: Die Führung in einer solchen, das ganze Land betreffenden Krise ist nicht so einfach. Verantwortung wird hin und her geschoben. Jeder macht nur das, was vereinbart wurde. Stefan Weil hätte ja im Oktober eine Test-Strategie ausrufen und die notwendigen organisatorischen Vorbereitungen treffen können. Hat er aber nicht. Wie auch die anderen Länderchefs nicht. Die Ministerpräsident*innen blockieren sich gegenseitig. Diese Strukturen sind für die Bewältigung einer bundesweiten Pandemie offensichtlich ungeeignet. Wir brauchen eindeutige Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auf Bundesebene und geeignete Strukturen.

Es ist gut und richtig, dass die Exekutive in Krisenzeiten besondere Vollmachten hat. Die nimmt sie sich nicht einfach – die wurden ihr im Rahmen von Gesetzen erteilt. Doch je länger eine solche Krise andauert, desto stärker müssen dann auch die Parlamente eingebunden werden. Doch die Parlamente haben schon Macht: Sie können einen Ministerpräsident*in oder eine Bundeskanzler*in einfach abwählen. Auch der Wähler ist nicht ausgeliefert. Er kann bei der nächsten Wahl jemand anderes wählen.

Ein Lockdown ist ein geeignetes Mittel, um ein plötzlich auftretendes Infektions-Geschehen zu begrenzen. Ein Lockdown ist jedoch als strategisches Instrument für ein ganzes Land ungeeignet. Bestenfalls lokale und begrenzte Beschränkungen sind als Strategie langfristig sinnvoll. Damit ein Lockdown wirken kann, muss er hart und rigoros sein. Ein Lockdown-light ist Unsinn. Letztes Jahr im Sommer hat man es versäumt, eine langfristige Strategie zu entwickeln, wie man mit dem Virus langfristig leben kann. Im Herbst mochte man den Bürgern harte Einschnitte nicht zumuten. Das Ergebnis sehen wir nun.

Ein Lockdown hat nicht nur ökonomische Folgen, weil Geschäfte geschlossen bleiben und Unternehmen weniger oder gar nicht produzieren können. Ein Lockdown hat auch soziale Folgen für alle Menschen, die in ihren Wohnungen bleiben müssen, für Kinder und Jugendliche, für die Gesellschaft, weil Kultur brach liegt. Je länger ein solcher Lockdown andauert, desto spürbarer werden diese sozialen Folgen. Deshalb war es dumm und ignorant, sich im Sommer nicht über Strategien gestritten zu haben, mit denen ein weiterer Lockdown vermieden werden kann. Wenn man sich schon auf einen Lockdown als einziges Mittel konzentriert, dann ist es geradezu sträflich, dieses Mittel nur zaghaft anzuwenden. Genau hier liegt das Versagen von Politik in den vergangenen Monaten. Wer hat Schuld? Die Bundeskanzlerin? Der Bundesgesundheitsminister? Die Konferenz der Ministerpräsident*innen? Jeder einzelne Ministerpräsident*in? Die Frage lässt sich nicht leicht beantworten. Das gibt einen Hinweis auf das Problem.

Quellen: Neuinfizierte und Verstorbene: Worldometer https://www.worldometers.info/coronavirus/
Intensivbetten: DVI bzw. RKI: https://edoc.rki.de/handle/176904/7011
Landkreise Diepholz und Nienburg: Portal Niedersachsen der Landesregierung:
https://www.niedersachsen.de/coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen

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