Zeugnisse: Sonntag des guten Hirten

Predigt am 4. Sonntag in der Osterzeit
„Sonntag des guten Hirten“,
Gebetstag um geistliche Berufe
28. und 29. April 2012 in Mariä Himmelfahrt,
Hagen-Gellenbeck

Hinweis: Den folgenden Text möchte ich nur ungern als Predigt bezeichnen. Es ist sozusagen ein persönliches Glaubenszeugnis. Er stammt aus einer Zeit des persönlichen Auf- und Umbruchs und ist so ein Zeugnis eines Lebens auf dem Weg.

Inzwischen sind einige Jahre ins Land gegangen. Vieles würde ich heute nicht mehr so sagen – trotzdem habe ich den Text so belassen, wie ich ihn damals vorgetragen habe. Der geneigte Leser/die geneigte Leserin wird sich seine/ihre eigenen Gedanken machen.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

sicher kennen Sie eine solche Situation: Sie haben sich auf eine Stelle beworben und Ihre zukünftige Chefin sagt Ihnen: „Sie haben den Job!“ Oder im Sportverein steht ein wichtiger Wettkampf vor der Tür und der Trainer stellt Sie auf. Oder Sie werden als Vertrauensmann oder als Klassensprecherin gewählt. Wenn jemand Sie kennen es sicher, wenn Ihnen jemand sagt: „Ich vertraue Dir. Du schaffst das!“ Meistens sind solche Situationen mit Herausforderungen verbunden, denen Sie sich dann stellen müssen. Doch die anderen stehen hinter Ihnen, sie unterstützen Sie.

Vielleicht fragen Sie sich: Wie kommt jemand in seinem Alter dazu, seinen Beruf aufzugeben und Priester werden zu wollen? Eine gute Frage und ich will versuchen, sie zu beantworten.

Fast siebenundzwanzig Jahre habe ich in einer Bank gearbeitet, zuletzt habe ich als Controller für den Vorstand Wirtschaftlichkeitsberechnungen durchgeführt. Banker haben ja heute keinen guten Ruf mehr und deshalb möchte ich einem Missverständnis vorbeugen: Meinen Beruf habe ich gern gemacht; ich habe mit kompetenten und hilfsbereiten Kolleginnen und Kollegen in einer gut geführten Bank gearbeitet. Es geht mir auch nicht darum, kurz vor Toresschluss noch die Kurve zu kriegen und endlich etwas sinnvolles zu machen und mich selbst zu verwirklichen. Ich konnte und ich kann in meinem Leben meine Fähigkeiten und Stärken einbringen und hoffe, dass meine Schwächen für meine Mitmenschen irgendwie zu ertragen sind.

Als Jugendlicher und junger Erwachsener war ich in der Kirchengemeinde meiner Heimatstadt im Gottesdienst und in der Jugendarbeit engagiert. Mit dem Fortgang aus meiner Heimatgemeinde ging mir auch mein Glaube an Gott und Jesus Christus verloren. Im kleinen Maßstab habe ich meine Karriere gemacht und bin Betriebswirt und schließlich Bereichsleiter in einer Bank geworden. Doch irgend etwas passte nicht und irgendwann brach die Frage nach Gott wieder auf. Da war kein einzelnes, besonderes Erlebnis, keine Stimme vom Himmel oder sonst ein Wunder. Es waren viele Erlebnisse und Eindrücke, Gespräche und leidenschaftliche Diskussionen, die mir den Mut gaben, meinen Lebensweg neu im Vertrauen auf Gott zu gehen. Der Beter aus Psalm 42 und 43 drückt das sehr gut aus: „Meine Seele, warum bist du betrübt und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.“ Am Dienstag nach Ostern 2004 bin ich dann auch offiziell katholisch geworden. Hier lauert ein weiteres Missverständnis: In meiner evangelischen Heimatgemeinde habe ich großartige Menschen kennengelernt, die ihr Leben aus ihrem Glauben an Gott und Jesus Christus gestalten. Nach eingehender Prüfung bin ich katholisch geworden, weil mich der Reichtum der Liturgie angesprochen und der katholische Glaube überzeugt haben. Ich habe mich nicht gegen die Evangelische Kirche, sondern für die römisch-katholische entschieden. Das klingt für den einen oder anderen nach Wortklauberei, für mich ist das ein großer Unterschied.

„Wie lebt man als Christ?“ Wer sich als erwachsener Mensch zum christlichen Glauben entscheidet oder wer sich neu für ihn entscheidet, steht früher oder später vor dieser Frage. Ich bin damals auf die Gruppe der Gemeinschaft von Sant’Egidio getroffen. Die Gruppe trifft sich in Osnabrück jede Woche zum Gebet. Dort bin ich Menschen begegnet, die gemeinsam ihren persönlichen Weg der Nachfolge Jesu gehen. Im Mittelpunkt stehen das Gebet, das Hören auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift und der Dienst an den Armen. Dort habe ich gelernt, dass es nicht Christen erster und Christen zweiter Klasse gibt, also auf der einen Seite Christen, die besondere Gelübde ablegen und ihr Leben als Opfer und Hingabe verstehen und auf der anderen Seite solche Christen, die in ihrem Alltag in Familie, am Arbeitsplatz, im Verein oder wo immer sie praktisch leben als Christen leben und sich einbringen.
Nachfolge Jesu bedeutet, den Ruf Gottes im eigenen Leben zu erkennen und ihm zu folgen. Dieser Ruf wird ganz unterschiedlich sein. Für den einen bedeutet das, in Ehe und Familie zu leben und Kindern eine gute Zukunft zu geben. Ein anderer sorgt an seinem Arbeitsplatz dafür, dass Kunden eine faire Leistung erhalten und mit den Ressourcen unserer Welt schonend umgegangen wird. Ein weiterer sorgt dafür, dass alte und kranke Menschen sich nicht vollkommen verlassen fühlen, ob im Altenheim, im Krankenhaus oder in der Nachbarschaft. Ein anderer sorgt dafür, dass Menschen, die vor Gewalt und Hass geflohen sind, bei uns Zuflucht finden. Der eine arbeitet bei der Tafel mit, der andere engagiert sich im Elternrat des Kindergartens, ein Dritter stellt sich für ein politisches Amt zur Verfügung und ein Vierter hilft ganz selbstverständlich einer alleinerziehenden Mutter oder einem alleinerziehenden Vater in der Nachbarschaft. Es sind nicht immer die großen, lebenslangen Aufgaben.

Die Frage, ob ich Priester werden soll, stand ziemlich bald im Raum. Zunächst habe ich sie abgeschoben und entschieden, dass für mich ein anderer Weg der richtige sei. „Meine Seele, warum bist du betrübt und bist so unruhig in mir?“ Die Frage hat mich nicht losgelassen und so habe ich mich auf den Weg gemacht. Zuerst fast zwei Jahre im Rahmen einer geistlichen Begleitung, dann mit der Bewerbung als Student für das Bistum und schließlich im Studium für das Bistum Osnabrück an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Es ist ein Weg, an dessen Ende vielleicht die Priesterweihe steht. Für mich stand am Anfang die Bereitschaft, diesen Weg zu gehen, mich auf die Veränderungen und die neuen Erfahrungen einzulassen. Es ist ja nicht so, dass man sagt: „Ich will Priester werden!“ und dann nur noch die Zeit bis zur Weihe absitzt. Auf dem Weg werde ich wie jeder andere Priesterkandidat von den Verantwortlichen des Bistums aber auch von der Gemeinschaft der Seminaristen und von meiner Familie und meinen Freundinnen und Freunden begleitet und unterstützt. Es ist eine Zeit des Lernens und der Prüfung – ich prüfe mich selbst und ich werde geprüft. Am Ende des Studiums erkläre ich meine Bereitschaft zur Weihe und der Bischof nimmt mich dann hoffentlich offiziell unter die Weihekandidaten auf. Eine Weihegarantie gibt es nicht. Jetzt bin ich im sechsten Semesters meines Studiums. Zur Zeit mache ich mein Externes Studienjahr in München und im Herbst geht es in Frankfurt Sankt Georgen weiter. Mein Leben sieht heute vollkommen anders aus, als vor drei Jahren. Und ich stelle immer wieder fest, was ich alles noch nicht weiß und was ich noch nicht kann. Aber ich habe den Eindruck, auf einem guten Weg zu sein.

Liebe Schwestern und Brüder, alle Menschen sind in die Nachfolge Jesu gerufen und diese Nachfolge sieht für jeden Menschen anders aus. Beten bedeutet, auf den Ruf Gottes an mich und an uns zu hören. An Jesus Christus zu glauben bedeutet für mich, darauf zu vertrauen, dass Gott will, dass die Menschen das Leben haben und dass sie es in Fülle haben. Wenn ich mein Leben im Vertrauen auf Jesus gehe, dann bedeutet das nicht, dass alles so kommt, wie ich das gerne hätte. Und es bedeutet schon gar nicht, dass alles automatisch so wird, wir mir das vorschwebt. Für meine Prüfungen muss ich schon noch lernen. Wenn es dann trotz aller Anstrengungen und Mühen doch nicht klappt mit der Diplom-Prüfung – weiß ich mich trotzdem in Gottes Hand geborgen. Wenn ich die Briefe der Lübecker Märtyrer aus dem Gefängnis lese oder den Brief, den Alexander Schmorell vor seiner Hinrichtung an seine Eltern geschrieben hat oder wenn ich lese und höre, wie Samuel Koch mit den Folgen seines Unfalls umgeht, dann lese und höre ich daraus: Gott ist treu! Sein Zuspruch ist nicht zeitlich begrenzt. Er geht mit uns auf unserem ganzen Lebensweg.

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